Gestohlener Codex Calixtinus Gefunden

Der Codex Calixtinus, Detailaufnahme die den Heiligen Jakobus zeigt.

Auf den Tag genau ein Jahr nachdem der Codex Calixtinus, auch Liber Sancti Jakobi oder Jakobsbuch genannt, aus der Kathedrale gestohlen wurde, hat ihn die Polizei, zusammen mit anderen Wertgegenständen, die auch aus der Kathedrale stammen, und einer großen Summe Geldes, in einer galicischen Garage wieder gefunden. Hier die Fakten die soweit bekannt sind:

Am 4ten Juli 2012 um die Mittagszeit fand die spanische Nationalpolizei den Codex Calixtinus, andere Wertgegenstände und Banknoten im Wert von über 1,2 Millionen Euro in einer Garage in O Milladoiro, einige Kilometer südwestlich von Santiago de Compostela und an anderen Orten. Das Buch von unschätzbaren Wert war in Zeitungspapier und mehreren Plastiktüten eingewickelt und erschien unbeschädigt. Unter den gefundenen Gegenständen befanden sich auch acht Kopien des Codex und zwei wertvolle Bücher die aus der Kathedrale stammen könnten, sowie ein Stundenbuch das von der Kathedrale als gestohlen gemeldet war.

Die Garage in O Milladoiro, der Pfeil weist auf die Fundstelle hin.

Die Garage in O Milladoiro, der Pfeil weist auf die Fundstelle hin.

Außerdem wurden auch Hausdurchsuchungen in Santiago selbst, O Grove und Negreira durchgeführt, alle Gebäude und Wohnungen gehören derselben Familie. Es wurden dort auch Schlüssel der Kathedrale gefunden, Dokumente die sich auf die Verantwortlichen und Kleriker der Kathedrale beziehen und private Korrespondenz von Kanonikern.

Alles dieses wurde bei den Hausdurchsuchungen gefunden.

Alles dieses wurde bei den Hausdurchsuchungen gefunden.

 

Dem Fund war die Verhaftung eines ehemaligen Elektrikers, der bis 2005 für die Kathedrale Auftragsarbeiten durchgeführt hatte, seiner Ehefrau, seinem Sohn und dessen Lebensgefährtin vorausgegangen. Der verhaftete, 61 Jahre alte Mann, hatte am Donnerstag den Diebstahl gestanden.

Die Echtheit des gefundenen Codex wurde vom Erzbischof von Santiago bestätigt hat. Die Spezialisten der Abteilung ‚Kulturerbe‘ der spanischen Kriminalpolizei hatten seit einem Jahr unermüdlich investigiert und schlussendlich den Elektriker als Hauptverdächtigen bestimmt. Am 6sten Juli morgens wurden Manuel Fernández Castiñeiras und seine Komplizen dann dem Richter vorgeführt, alle, mit Ausnahme der Lebensgefährtin des Sohnes, verbleiben, ohne Kaution, in Haft. Hier die >>>Presseerklaerung der spanischen Polizei<<< für diejenigen Leser, die spanisch verstehen.

Zeitlicher Ablauf der Vorgänge

  • 4te Juli 2011, 12:00 – Manuel Fernández Castiñeiras, nach seinen eigenen Angaben, stiehlt den Codex Calixtinus aus dem Safe des Archivs der Kathedrale.
  • 6te Juli 2011 Nachmittag – Der Kodex wird dem Dekan der Kathedrale, José María Díaz, als ‚vermisst‘ gemeldet und eine interne Suche wird durchgeführt.
  • 6te Juli 2011 Abend – Die Suche ist erfolglos und die Polizei, sowie das Kapitel der Kathedrale und der Erzbischof werden informiert.
  • 2011 – Die Kriminalpolizei nimmt an das es sich um einen Auftragsdiebstahl handelt und Europol wird eingeschaltet.
  • 8te Oktober – Der Dekan der Kathedrale, José María Díaz, tritt von seinem Amt als Verantwortlicher für das Archiv der Kathedrale zurück, bleibt aber Dekan.
  • Anfang 2012 – Die Kriminalpolizei nimmt nun an das der Codex noch in Spanien ist und es sich um einen ‚Insider Job‘ handelte. Manuel Fernández Castiñeiras steht schon früh unter Verdacht und wird von da an überwacht.
  • 3te Juli 2012 – Manuel Fernández Castiñeiras wird verhaftet, zusammen mit seiner Frau, seinem Sohn und dessen Lebensgefährtin. Die Polizei findet mehr als 1,2 Millionen Euro und mehrere Kirchenschätze in seinen Wohnungen.
  • 4te Juli 2012 – Der Codex Calixtinus und andere Wertsachen werden in einer Garage gefunden die dem Verhafteten gehört.
  • 4te Juli 2012 17:30 – Monsignore Julián Barrio, der Erzbischof von Santiago de Compostela bestätigt die Echtheit des Buches.
  • 5te Juli 2012 – Die Lebensgefährtin des Sohnes wird, unter Auflagen, aus der Haft entlassen, alle anderen verbleiben in Haft.
  • 5te Juli 2012 – Manuel Fernández Castiñeiras gibt Rache als Motiv an.
  • 6te Juli 2012 – Der Richter entscheidet das Manuel Fernández Castiñeiras in Haft verbleibt und lehnt eine Kaution ab.

Was geschah:

Seit Anfang dieses Jahres hat die Kriminalpolizei nicht mehr daran geglaubt das der Codex im Auftrage eines Privatsammlers gestohlen wurde und konzentrierte sich auf Manuel Fernández Castiñeiras als Hauptverdächtigen. Dieser hatte für über 25 Jahre als selbstständiger Elektriker für die Kathedrale gearbeitet, aber sein Vertrag wurde 2005 gekündigt. Zusammen mit ihm wurden drei weitere Komplizen verhaftet. Wie sich schnell herausstellte hatte Manuel Fernández Castiñeiras seit über 20 Jahren Wertgegenstände, Dokumente und Geld von der Kathedrale gestohlen, soviel das er sich und seiner Familie mehrere Wohnungen und Häuser kaufen konnte. Warum es keinem auffiel das ein einfacher Elektriker mit einem kleinen Geschäft und einigen Auftragsarbeiten soviel besitzen konnte bleibt ein Rätsel. Er hat auch ein genaues Tagebuch geschrieben in dem er festhielt was er wann in der Kathedrale mitgehen ließ, dieses befindet sich nun in Polizeibesitz und wird sicher eine wichtige Rolle in seinem Prozess spielen!

Nahaufnahme der Fundstuecke, mit dem Tagebuch (diario) des Elektrikers.

Nahaufnahme der Fundstuecke, mit dem Tagebuch (diario) des Elektrikers in der Ecke rechts unten, schwarzes Buch.

Aber nicht nur der 61 jährige Elektriker wurde verhört, auch seine Familienmitglieder und so ließ sein Sohn, während eines seiner Verhöre, schlüpfen das sein Vater eine Garage in der Strasse A Curuxa in O Milladoiro in der Nähe der Familienwohnung besitzt, dort wurde dann der Codex Calixtinus, zusammen mit mehr Wertgegenständen und mehr Geld, endlich wieder gefunden.

Der verhaftete Elektriker ging jeden Wochentag zur Messe in der Kathedrale und trank auch jedes Mal einen Kaffee mit seinen ex-Kollegen in immer derselben Bar ‚La Quintana‘. Leute hörten ihn oft sagen das die Kathedrale ihm 40,000 Euro schuldete und das alle Priester Diebe seien. Auch liebte er es über das Schicksal des Codex Calixtinus mit ehemaligen Arbeitskollegen zu diskutieren …

Der Hintergrund

Der verhaftete Elektriker kannte die Kathedrale wie seine eigenen Westentasche da er regelmäßig, seit ungefähr 1980, elektrische Reparaturen und Wartungsarbeiten in dieser ausführte. Aber dies ist nicht das einzige was er tat wenn er in der Kathedrale war. Nach Angaben der Polizei fanden sich in seinem Tagebuch genaue Beschreibungen wie er er regelmäßig die Spendenkästen in der Kathedrale leerte und was er sonst noch mit nach Hause nahm. Im Jahre 2005 verweigerte ihm der Dekan der Kathedrale, José María Díaz, eine Festanstellung und ließ ihm keine Auftragsarbeiten mehr anvertrauen. Vielleicht kann angenommen werden das zumindest dieser Kanoniker einen Verdacht hatte wer dafür verantwortlich war das sich so viele Dinge in der Kathedrale in Luft auflösten? Unbestätigten Gerüchten zu Folge war dies der Moment in dem der Elektriker Rache schwor und sich vornahm den Codex zu stehlen um den für dieses wertvolle Buch verantwortlichen Priester in Misskredit zu bringen.

Der Diebstahl

Am 5ten Juli 2011 stellte einer der drei Personen die unbeschränkten Zugang zu diesem Buch hatten fest, das der Codex Calxtinus aus seinem Safe in der Kathedrale verschwunden war und es wurde sofort eine, erfolglose, Suche eingeleitet um heraus zu finden ob ihn jemand ‚verlegt‘ hatte. Da diese nicht erfolgreich war, wurde am späten Abend dann endlich die Polizei gerufen.

Das Buch verschwand aus einem Tresor der in einem, nur wenigen zugänglichen, Raum des Archivs der Kathedrale untergebracht war. Aber diese Schatzkammer war schlecht beschützt! Zum einen gab es da ein ständiges kommen und gehen der zwei Forscher die ständigen Zutritt hatten und die die anderen Bücher die in diesem Raum untergebracht waren konsultierten. Außer diesen hatte nur der Dekan, José María Díaz, unbeschränkten Zutritt. Zum anderen war die Eingangstür unbeschädigt und zeigte keine Zeichen das sie gewaltsam geöffnet wurde – und die Schlüssel steckten noch im Schloss des Tresors in dem der Codex aufbewahrt war! Alles Zeichen die auf einen Insider Job hinwiesen! Die Polizei begann natürlich sofort mit ihren Untersuchungen und mit dem verhören aller Angestellten der Kathedrale, von Priester zu Putzkräften eingeschlossen.

Ist der Codex Calixtinus wirklich unbeschädigt?

Leider ist das unwahrscheinlich, für ein Jahr in Plastiktüten und Papier verpackt und den Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen in der Garage ausgesetzt, ist es wahrscheinlich das Schimmelpilze und Licht die Illustrationen und Farben angegriffen haben, nur eine genaue Untersuchung bei Experten kann das volle Ausmaß der Schäden, wenn vorhanden, feststellen.

Nahaufnahme der Fundstelle, es wäre ein wirkliches Jakobuswunder wenn der Codex das für ein Jahr ohne jeden Schaden überstanden hatte.

Nahaufnahme der Fundstelle, es wäre ein wirkliches Jakobuswunder wenn der Codex das für ein Jahr ohne jeden Schaden überstanden hatte.

Wo ist der Codex Calixtinus jetzt?

Im Moment ist der Codex noch in der Hand der Polizei, aber die Gerüchteküche hat es, das er schon am Sonntag den 8ten Juli feierlich der Kathedrale zurück gegeben werden soll. Ob das genug Zeit ist um sicher zustellen das der Codex keinen weiteren Gefahren ausgesetzt ist bleibt abzuwarten.

Offene Fragen

  • Warum war das Jakobsbuch nicht besser beschützt?
  • Welche Maßnahmen werden nun ergriffen um zu verhindern das so etwas wieder passiert?
  • Und warum hat in 25 Jahren keiner gemerkt das große Summen Geldes, wertvolle Bücher und Gegenstände und Dokumente aus der Kathedrale verschwanden?

Wer spanisch lesen kann, sollte >>>diese Rubrik<<< der Webseite El Pais im Auge behalten,  es scheint, bis jetzt, dort die beste und umfassendste Berichterstattung über diese Vorfälle zu geben.

Der Codex Calixtinus in Kürze

Der Codex Calixtinus. auch als Jakobsbuch, Liber Sancti Jacobi oder Codex Calixtus bekannt stammt aus dem 12ten Jahrhundert und wurde vermutlich von Aimeric Picaud aus verschiedenen älteren Quellen zusammengestellt. Er wurde dem Papst Calixt II ‚gewidmet‘, in dem der Autor vorgibt das der Text vom diesem Papst selbst geschrieben sei und besteht aus fünf Teilen und zwei Anhängen, der fünfte Teil enthält den eigentlichen Pilgerführer während die anderen Mess- und Gebetstexte, Jakobslegenden, Legenden über die Schlachten Karls des Großen in Spanien und Kompositionen enthalten. Die Ausgabe, die am 5ten Juli 2011 aus der Kathedrale gestohlen und jetzt wieder gefunden wurde, gilt als die älteste erhaltene Kopie und ist von unschätzbarem Wert.

Wer sich für dieses Buch und seine Geschichte interessiert dem empfehle ich diese >>>preiswerte Reclam Ausgabe <<< die bei Amazon erhältlich ist. Für eine Vorschau einfach den Mauszeiger über den Link ruhen lassen 😉